„Im Hinterland der WM“, Russland-Schwerpunkt für den ballesterer

Gemeinsam mit Mandy Ganske-Zapf hatte ich die Gelegenheit, für das Fußballmagazin ballesterer aus Wien eine 15-seitigen Russland-Schwerpunkt im Vorfeld der Fußball-WM 2018 zu gestalten. Der Schwerpunkt enthält eine Reportage aus Kasan, eine Reportage aus Jekaterinburg sowie Interviews mit dem russischen Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow und dem österreichischen Nationalspieler Moritz Bauer (-> zum Interview).

Hier gebe ich eine gekürzte Version der Kasan-Reportage wider. Den gesamten Artikel gibt es in der Printausgabe des ballesterer, Nr. 127 Dezember 2017, zu lesen. Digital erhältlich im Austria-Kiosk der APA.

Im Hinterland der WM

Elf Städte bereiten sich in Russland auf die WM 2018 vor. Das Großevent hat seit der Vergabe immer wieder hitzige Debatten provoziert, doch es wirft auch ein Schlaglicht auf die Vielfalt des Landes. Auf Orte, die sonst oft unbeachtet bleiben. Wie zum Beispiel Kasan, die Hauptstadt Tatarstans.

Sie wirkt einsam. Die hüftlange, grüne Jacke ist fest geschlossen, um den Kopf trägt die junge Frau ein Tuch, wie es an Gäste und Touristen ausgegeben wird, wenn sie das Gotteshaus betreten. Sie steht mit ihren grauen Jogginghosen und den ebenso grauen Turnschuhen vor dem Koranleser, der in der Eingangshalle hinter einer Glaswand sitzt. Sie spricht seine Worte mit, presst die Hände zusammen und schaut in sich gekehrt nach oben – während die Leute um sie herum mit ihren Handys Fotos von der Pracht der Moschee knipsen.

Foto: (c) Mandy Ganske-Zapf

Die Kul-Scharif-Moschee in Kasan ist die zweitgrößte in Russland, sie wurde auf einer Anhöhe im Zentrum der Stadt errichtet. Mitten im Kreml, den Kasan auch hat und der von den Vorfahren der Tataren angelegt und schließlich von Iwan dem Schrecklichen zur steinernen russischen Festung ausgebaut wurde. Islam und orthodoxes Christentum, tatarisches und russisches Leben sind die zwei Seiten von Kasan. Die Hauptstadt Tatarstans liegt 800 Kilometer östlich von Moskau, die marmorverkleidete Moschee mit ihren türkisen Kuppeln und den vier 57 Meter hohen Minaretten ist ihr Wahrzeichen. Im Sommer 2018 wird Kasan im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen, wenn hier vier Vorrundenspiele sowie eine Achtel- und eine Viertelfinalbegegnung der WM ausgetragen werden.

 

Von Dschinghis Khan bis Ronaldinho
Die Generalprobe hat die Stadt schon beim Confed-Cup im Juni 2017 erlebt. Neben Moskau, Sankt Petersburg und der Olympiastadt Sotschi gehörte Kasan zu den Ausrichterstädten des Turniers. Dabei habe sich gezeigt, wie fußballbegeistert die Menschen in der Stadt sein können, sagen hier nicht nur die Fans. Tatsächlich strömten im Schnitt knapp 39.000 Zuschauer bei den vier Spielen ins Stadion, die 1:2-Niederlage der Gastgeber gegen Mexiko sahen fast 42.000.

Doch schon vor dem ersten Anpfiff rückte der Fußball ins Zentrum des Interesses. Im Mai drängelten sich die Kasaner um die Ex-Kicker Ronaldinho und Jay Jay Okocha, die extra eingeflogen worden waren. Unterhalb des Kremls, die Kul-Scharif-Moschee im Rücken, eröffneten sie einen Fan-Park für den Confed-Cup. Es war ein frischer Tag, Ronaldinho zog sich die Kapuze über den Kopf, während er sich durch die Altstadt führen ließ – vom Bürgermeister persönlich. Der schwärmte dem Brasilianer von der Gastfreundlichkeit seiner Stadt vor und berichtete, dass man für die Fußballtouristen Spazierrouten anbieten werde, „um durch unsere Architektur etwas über die Vielfalt Russlands zu erzählen“. Tatsächlich nimmt Kasan unter den russischen Großstädten eine besondere Stellung ein. Wie ein Konzentrat zeigt sich hier auf engem Raum, was Russland auch im großen Maßstab ist: ein multikultureller, multikonfessioneller Staat. Weiterlesen (auf meinem Blog)