„Pistolen-Franz und Muskel-Adolf“. Rezensiert für den Tagesspiegel

Jahrzehntelang regierten die Ringvereine Berlins Unterwelt. Regina Stürickow blickt zurück.

Für den Tagesspiegel, 15.12.2018 (auf der Tagesspiegel-Seite lesen)

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„Der Kollege, der in trunkenem oder aufgeregtem Zustande leichtsinnig mit seiner Vereinsnadel umgeht, wird mit 10 Mark in Strafe genommen.“ So streng hielten es die Statuten des „Sport-Clubs Immertreu 1921“ fest. Immerhin war das doppelt so viel wie wiederholtes Stören einer „Sitzung in animiertem Zustand“ oder auch wie unentschuldigtes Fehlen „bei Veranstaltungen mit Banner“ den Delinquenten kostete.

Mit Sport hatte „Immertreu“ allerdings wenig am Hut. Der „Sport-Club“ war einer der legendären Berliner Ringvereine, unter deren legalistischem Dach sich seit den zwanziger Jahren Klein- bis Großkriminelle, durchweg Männer, versammelten, um gemeinsam zu trinken, konspirative Sitzungen abzuhalten und sich vor allem in allen Lebenslagen, wenn etwa ein Kneipenwirt ein Mitglied mal scheel angeguckt hatte, tat-, prügel- und überzeugungskräftig beizustehen.

Anders ausgedrückt: Ringvereine waren in erster Linie organisierte Verbrechervereinigungen, die mit Schutzgelderpressung und Prostitution, Einbrüchen und anderen Delikten ihr hochkriminelles und brutales Geschäft betrieben. Bei Überfällen auf Kneipen, Konkurrenten und Unbeteiligte kam es auch zu Verletzten und Toten. Mitglied durfte zumeist nur werden, wer vorbestraft war und einen Bürgen aus dem Kreis der Mitglieder nennen konnte.

Die Historikerin Regina Stürickow berichtet in „Pistolen-Franz und Muskel-Adolf. Ringvereine und organisiertes Verbrechen in Berlin 1920-1960“ ebenso kenntnisreich wie unterhaltsam von der Geschichte der halbseidenen Kriminellenvereinigungen. Deren Zweck und Ziel, schreibt Stürickow, sei vor allem die „Pflege der Geselligkeit“ und die „Wohlfahrtspflege“ gewesen, welche etwa darin bestanden habe, „dass ein Vereinsmitglied am Tag seiner Entlassung vor den Gefängnistoren von seinen Brüdern‘ im Auto abgeholt werde und, um den ersten Engpass zu überbrücken, finanzielle Unterstützung erhalte. Segne ein Mitglied das Zeitliche, trage der Verein die Beerdigungskosten und inszeniere ein pompöses Begräbnis, zu dem alle Mitglieder sowie Delegierte befreundeter Vereine mit ihren Vereinsbannern erscheinen müssten. Eine Blaskapelle sorge mit Trauermärschen für die gebotene Feierlichkeit.“ Weiterlesen auf der Tagesspiegel-Seite